Noel Klein-Reesink, das ist unser Chef. 2012 hat er ekn gegründet, als Herzensprojekt. Die Themen Style und Nachhaltigkeit hatten ihn allerdings schon lange zuvor begeistert. Im Interview erzählt er von seinem ersten Schuhverkauf, genussorientierter Nachhaltigkeit und seinem Praktikum in den portugiesischen Produktionsstätten der Marke.
Wie ist deine Faszination mit Schuhen entstanden?
Im Münsterland, wo ich aufgewachsen bin, war die Marke Titus ein riesiges Thema. Dort ist jede:r Skateboard gefahren. Auch ich, und ich habe mich sehr angestrengt. Der heilige Gral des Skateboarding ist es, ein Sponsoring zu bekommen. Das habe ich erreicht, ein Shop hat mir kostenlos Schuhe und Bretter zur Verfügung gestellt. Die Herausforderung war: Denen Feedback zu geben, was man besser machen kann. Das haben wir sehr ernst genommen: Wir haben uns die Produkte genau angesehen, haben Schuhe durchgesägt, geschaut, was da drin steckt. Das hat mein Interesse geweckt.
Nach dem Abitur warst du in den USA. Welche Erfahrungen aus dieser Zeit sind dir bis heute wichtig?
Ich wollte wegkommen von meiner Heimat. Ich war in Washington D.C. und New York, bin viel Skateboard gefahren. In Brooklyn habe ich in einem Café gearbeitet, das viel Wert auf Bio-Produkte und Nachhaltigkeit gelegt hat. Die Ökologie-Bewegung in Deutschland war zu dem Zeitpunkt sehr auf Verzicht ausgerichtet, immer mit dem altruistischen Zeigefinger. In Deutschland sah Bio schlecht aus, hat nicht geschmeckt. In New York wurde das ganz anders gelebt. Mir wurde klar, dass Nachhaltigkeit auch Genuss und Spaß bedeuten kann. Viele Künstler:innen sind in diesem Café ein- und ausgegangen. Erykah Badu hat dort ihren Kaffee gekauft, der Erfinder des Krümelmonsters saß jeden Tag im Laden. Bio war ein großes Gesprächsthema, das hat mich gepackt.
Wie kam dann der Einstieg ins Modegeschäft?
Während meines Studiums habe ich in Münster in einem Laufladen gearbeitet. Viele der Kund:innen laufen Marathon, Triathlon oder ähnliches. In solchen Geschäften werden Schuhe genau auf die Bedürfnisse der Sportler:innen angepasst. Mittels Laufbandanalysen, Druckmessplatten und verschiedener Sohlensysteme. Ich wollte unbedingt wissen, was das alles bedeutet. Deswegen habe ich an der Universität Kurse zu Biomechanik belegt. Ich bin selbst Marathonläufer geworden, habe für New Balance und Adidas gearbeitet. In dieser Zeit wurde ich oft nach Produktionsbedingungen und Umweltverträglichkeit der Schuhe gefragt, ich konnte aber immer nur mit einem Achselzucken antworten. Das hat sich geändert, als ich zu Hess Natur gewechselt bin. Der nordhessische Ökotextil-Anbieter hat viele der Standards in Punkto Nachhaltigkeit gesetzt, die wir heute kennen. Zuvor dachte ich immer, ich könnte entweder etwas Gutes tun und dabei Geringverdiener bleiben – Oder für eine große Firma arbeiten und Geld verdienen. Die Zeit bei Hess Natur hat mir gezeigt, dass Ökologie und Ökonomie vereinbar sind. Diese Erkenntnis war entscheidend für mich.
Wie hast du diese Erkenntnis angewendet?
Mit einem Kollegen habe ich einen Blog zu Nachhaltigkeit und Wirtschaft geführt. Die »LOHAS«-Bewegung (Lifestyle of Health and Sustainability) hat uns beide fasziniert. Wir haben uns bundesweit vernetzt, sogar eine Business-Konferenz zum Thema in Frankfurt durchgeführt. »Wie können wir Nachhaltigkeit cool machen?«, das war unsere Leitfrage. Während wir nachgedacht haben, fand draußen schon die Öko-Revolution statt. Heute findest gibt’s Bio-Supermärkte an jeder Ecke. Viele Kontakte habe ich in dieser Zeit geknüpft, auch im Bereich junge Mode. Am Ende wollte ich aus dieser Nische raus. Ich dachte: »Wenn du etwas bewegen willst, musst du selbst aktiv werden«. Im Schuhgeschäft lag meine Expertise, dieses Feld hing und hängt immer noch in Punkto Nachhaltigkeit hinterher. Die Idee von ekn entstand.
Ich merke, dass Nachhaltigkeit für dich ein emotionales Thema ist. Gab es da einen Schlüsselmoment?
Während meiner Zeit in der Öko-Branche kam es zu einem Gespräch mit einem Bauern aus Burkina Faso, der Baumwolle angebaut hat. Ich fragte ihn, was sich für ihn geändert hat, seitdem er auf Bio-Baumwolle umgestellt hat. Und er erklärte mir, dass in seinem Dorf die Kinder wieder gesund auf die Welt kommen. In der konventionellen Baumwollindustrie wird mit vielen Pestiziden gearbeitet, ohne Schutzkleidung, die Menschen wohnen nah am Feld. Sie sind den Giften durchgehend ausgesetzt. In der Produktion von Bio-Baumwolle wird ohne chemische Pestizide gearbeitet. Die Antwort des Bauerns hat mich komplett umgehauen. Ich habe realisiert, welchen Einfluss die Entscheidungen der Textilindustrie auf das individuelle Leben haben. Es lohnt sich, für eine nachhaltige Mode zu kämpfen.
Was waren die ersten Schritte zur Gründung von ekn?
Ein ehemaliger Designer von Adidas hat mir geholfen, die ersten Modelle zu gestalten. Über die Community baute ich Kontakt zu nachhaltigen Produktionsfirmen auf. In Portugal, wo wir produzieren, habe ich einen Monat verbracht und mir wie ein Praktikant die Werkstätten angeschaut. Ich wollte verstehen, wie ein Schuh entsteht. Von den Schnürsenkel über das Leder bis zu den Schuhkartons habe ich mir die Entwicklung meines Schuhs angesehen. Als ich zurück nach Deutschland kam, hatte ich eine kleine Musterkollektion unterm Arm. Die Zeit in Portugal hat mir gezeigt, dass ich das richtige tue. Leder wird in der konventionellen Schuhindustrie mit Schwermetallen gegerbt, das Wasser, das diese Fabriken verlässt, ist vergiftet. In unseren Produktionsstätten wird vegetabil gegerbt. Das Wasser hat am Ende Trinkwasserqualität. Nach dem Gerben wird es zur Bewässerung der umliegenden Obstbäume verwendet. Das hat mich wahnsannig begeistert. Die Produktion ist teurer und langsamer, aber das zahlt sich vollkommen aus.
Wie hast du deinen ersten eigenen Schuh verkauft?
Ein sehr guter Freund von mir, Aki Tuncer, hat mir sehr geholfen. Tuncer ist der Vertriebsleiter einer nachhaltigen dänischen Kleidungsmarke, Knowledge Cotton Apparel. Er hat mich in seine Showrooms mitgenommen, ich konnte meine Schuhe neben seiner Kleidung präsentieren. Seine Kund:innen zu treffen, war Gold wert. So konnte ich zum ersten Mal Schuhe verkaufen. Gleich zehn Kund:innen konnte ich dadurch auf einen Schlag gewinnen, das war ein riesiger Erfolg für mich.
Bist du an anderer Stelle auf taube Ohren gestoßen?
Natürlich gab es auch negatives Feedback, mit neuen Ideen ist Ablehnung vorprogrammiert. Gerade wenn ein Deutscher ins Schuhgeschäft einsteigen will, wird das eher erstmal belächelt. Die Designs waren sicher nicht perfekt. Credibility musste ich mir erarbeiten. In diesen ersten Jahren habe ich als Unternehmensberater gearbeitet. Bei Tag Geld verdient, bei Nacht die Marke ekn weiterentwickelt. Bis heute ist ein großer Aspekt meiner Arbeit Selbstausbeutung.
Wann hast du dich dafür entschieden, dich voll und ganz auf ekn zu konzentrieren?
2017 habe ich entschieden, das Projekt ekn durchzuziehen. Ich hatte großen Spaß an der Marke, habe ein riesiges Potenzial in ekn gesehen. Das Projekt hat ein Feuer in mir ausgelöst, deswegen bin ich All In gegangen. Als Unternehmer habe ich ständig Angst vor dem Scheitern, aber die letzten Jahre haben mir gezeigt, dass sich der Mut auszahlt. Du gehst mit deinem gesamten Kapital in die Produktion und musst dann hoffen, dass du am Ende wirklich Schuhe verkaufst. Die Risiken können nervenaufreibend sein. Die ersten Erfolge kamen durch meine Begeisterung, durch das Herzblut, das ich in die Brand gesteckt habe. Ekn ist und bleibt ein Herzensprojekt.
Wie hat sich ekn bis heute verändert?
Es ist ein permanenter Fluss der Veränderung. Zur Gründungszeit hatte ich nur einen Angestellten, wir haben auch die Logistik selbst übernommen. Wir hatten ein kleines Lager in Offenbach, haben etwas hemdsärmelig einen Webshop entwickelt. Alles DIY. Wir mussten agiler werden, dadurch kam Wachstum. Mit einer Werbeagentur aus Hamburg ist eine neue Website entstanden. 2015 kam ein Ladenlokal im Frankfurter Ostend dazu. Heute haben wir acht feste Mitarbeiter:innen, dazu kommen externe. Wir suchen immer wieder interessierte Mitarbeiter:innen! Auch international geht es voran: Wir haben neue Vertreter:innen für Niederlande, Belgien, auch Skandinavien. Der nächste Schritt ist die USA. Es ist mein Job geworden, alles auf Spur zu halten, die Leute zu motivieren und voranzutreiben. Das macht mir viel Spaß, heißt aber auch, dass ich nicht mehr alle Details kennen muss.
Das Design der Schuhe glänzt durch Retrofuturismus. Welches war das erste ekn-Modell, das diesen Vibe für dich verkörpert hat?
Ich war früher großer Fan des Nike Presto-Designs. Der war damals sehr modern und eine Inspiration für das erste wirklich relevante Produkt von ekn, dem Modell »Bamboo«. Der Schuh wurde in Zusammenarbeit mit Daniel Bailey (conceptkicks.com) geschaffen. Den »Bamboo Runner« gibt es zwar heute nicht mehr, aber damals hat er uns sehr begeistert, weil das Design sehr futuristisch war. Wir hatten das großartige Gefühl, etwas wirklich Neues kreiert zu haben. Ein Slip-On mit Sock-Construction und Schnürsenkeln an der Ferse, die man auf unterschiedlichste Art binden konnte. Wir waren alle sehr stolz, das war ein Meilenstein. Das Design wurde später sogar von anderen Marken kopiert!
Welcher ist dein aktueller Lieblingsschuh von ekn?
Der Larch, den trage ich meistens. Den Schuh haben wir mit dem Designer David Mawdsley erarbeitet. Das war ein toller Prozess, weil wir zum ersten Mal einen wirklich zeitgemäßen Runner entwickelt haben. Der ist wahnsinnig bequem, sehr soft und hat immer die perfekte Silhouette.